Monique Fontannaz: Eine Geschichte in drei Dimensionen.

14. Mai 1951 –

 

Aufgenommen am 4. Juli 2018 in Moudon.

http://www.plansfixes.ch/films/monique-fontannaz/

 

> Wenn der König Salomo sagt, wir sollten von der Ameise lernen, so führen uns die „Plans Fixes“ mit dem Porträt von Monique Fontannaz solch eine wissenschaftliche Ameise vor Augen. Bei der Arbeit zeichnet sie sich aus durch Bescheidenheit und unermüdlichen Fleiss, verbunden mit dem Verzicht auf Status und Angeberei. An grossen, weitschweifigen Theorien ist sie nicht interessiert. Für sie zählt das feste, konkrete Detail. <


Das Buch, in dem der sagenhafte König Salomo den Weg zum richtigen Leben anweist, beginnt mit den Sätzen: „Dies sind die Sprüche Salomos, des Königs in Israel, des Sohnes Davids, zu lernen Weisheit und Zucht, Verstand, Klugheit, Gerechtigkeit, Recht und Schlecht; dass die Unverständigen klug und die Jünglinge vernünftig und vorsichtig werden.“ (Sprüche 1, 1–5)

 

In Kapitel 6, 6 findet sich der Spruch, der durch die Jahrtausende so manchem ins Stammbuch geschrieben worden ist: „Gehe hin zur Ameise, du Fauler; siehe ihre Weise an und lerne!“

Monique Fontannaz brauchte diese Ermahnung nicht. In ihren Eltern hatte sie das Vorbild vor Augen. Sie waren beide Dorfschulmeister. Monique aber stand als Lehrerskind eher am Rand des dörflichen Treibens. Und von selbst lenkte sie den Sinn auf Bücher, die erzählten, wie es am Ort, wo sie lebte, früher gewesen war. Da begann die Exotik gleich vor der Haustür – ja schon unter dem Boden, auf dem sie stand.

 

Sie erkannte, dass die fremden, faszinierenden Völker nicht in räumlicher Distanz zu finden waren, sondern in zeitlicher. Den Weg zu ihnen wiesen die alten Sachen, zumal die alten Bauten. An ihnen liessen sich die früheren Lebensverhältnisse und -vorstellungen ablesen.

 

In Kapelle und Kirche, Schloss und Patrizierhaus, Bürgerwohnung und Bauernhof begegnete Monique Fontannaz fortan der Geschichte – mal als Strom, mal als Tümpel, immer aber wechselhaft, Menschen und Lebensweisen gestaltend und umgestaltend.

 

Auf diese Weise erstreckte sich das Forschungsfeld der Historikerin von Anfang an vor ihren leiblichen Augen. Sie brauchte bloss ins Freie zu treten, zu beobachten, zu vergleichen, zu gruppieren, zu kombinieren, um mit der Zeit im gebauten Raum das Woher und Wozu zu erkennen, welches die Altvorderen getrieben und angespornt hatte.

 

Und weil alles Gebaute auf Menschen zurückgeht, war es für das Verständnis ihres Wollens und Treibens unerlässlich, durch Erforschung der Archive ihre Namen und Verhältnisse zu eruieren. Monique Fontannaz spricht nicht umsonst von Detektivarbeit. Ziel ihrer Wissenschaft war es, Tatorte zum Sprechen zu bringen und die Zusammenhänge schriftlich zu fixieren.

 

Neben einer Vielzahl architekturgeschichtlicher Aufsätze besteht Monique Fontannaz’ Werk heute aus dem gewichtigen, 575 Seiten starken Band über die Stadt Moudon, den die schweizerische Gesellschaft für Kunstgeschichte 2006 herausgebracht hat. In siebenjähriger Arbeit hat die Autorin jedes Haus und jede Strasse kulturgeschichtlich erfasst und eingeordnet. Damit kann man heute Moudon nicht bloss begehen, sondern verstehen.

 

Verstehen im Konkreten; Monique Fontannaz hält nämlich nicht viel von Theorien. Im Laufe ihres wissenschaftlichen Lebens hat sie sie kommen und gehen sehen. Während sie in Moudon Fakten von unumstösslicher Objektivität erhob, wütete in der geisteswissenschaftlichen Welt das Theoriefieber.

 

Da formulierte Jacques Derrida Einspruch gegen den „Logozentrismus“ und seine „binären Oppositionen“. Michel Foucault plädierte in Abkehr von den „Wahrheiten“ für den frei flottierenden „Diskurs“, aus dem alles Denken und Wissen bestehe. Der Poststrukturalismus deklarierte daraufhin das Fragment, den Essay, das Un-, Nicht- oder Überbegriffliche als höchsten Ausdruck einer ästhetischen Weltanschauung. Ihren Gipfel erreichte die Bewegung in den „gender studies“, den „Queer-Theorien“, den „animal studies“ und den antikolonialistischen Lehren. Heute spielt die Musik in diesen Bereichen.

 

Monique Fontannaz brachte unterdessen den ersten Teil eines kunstgeschichtlichen Bandes über das Broyetal heraus. Der zweite ist abgeschlossen und druckreif. Doch der Staat ist nicht mehr länger bereit, die „Monuments d'art et d'histoire du canton de Vaud“ zu unterstützen.

 

Ein weiterer Spruch fürs Stammbuch, diesmal für die Waadtländer Regierung: „Wer im Sommer sammelt, der ist klug; wer aber in der Ernte schläft, wird zu Schanden.“ (Sprüche 10, 5)

 

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