Michel Logoz: Botschafter des Weins.

15. November 1929 –

 

Aufgenommen am 13. Juni 2012 in Lausanne.

http://www.plansfixes.ch/films/michel-logoz/

 

> Man wird nicht müde, Michel Logoz zuzuhören. Dabei misst die Parzelle, über die er spricht, nur gerade 9 × 12 cm. 30’000 solcher Kleinstflächen hat er in seinem Leben gestaltet. Und jeder, der schon eine Weinflasche vor sich auf dem Tisch hatte, ist Michel Logoz’ Werken begegnet. Denn er schuf erfolgreiche Etiketten für den Schweizer Weinhandel. Nun spricht er über das Handwerk und die Philosophie. <

 

Wieder blickt einer auf ein erfülltes Leben zurück, auch wenn „es“ ihm, wie den meisten seiner Altersgenossen, nicht fürs Gymnasium gereicht hat – „es“: das Geld. (Nicht die Intelligenz.) In Huttwil musste der Eisenbahnersohn Rudolf Röthlisberger, der am liebsten Literatur hervorgebracht und studiert hätte, „ab in eine Stationslehre!“ Er schrieb dann trotzdem: Rapporte, Berichte, Prospekte, aber auch, heimlich, Gedichte. Ab 34 leitete er die Bielersee-Schiffahrts-Gesellschaft. Als er in Pension ging, titelte der „Bund“: „Ein Philosoph am Direktionspult“.

 

Ähnlich erging es dem Bäckerssohn Hans G. Wägli. Mit zwölf verlor er den Vater. Mit 15 musste er in eine Stationslehre (denn Bahn bedeutete Sicherheit). Dort begann er zu schreiben: Rapporte, Berichte, Communiqués, aber auch Sachbücher. Sein erstes: „Aareschiffahrt einst und jetzt“. Am berühmtesten in der Zunft der Eisenbahnfreunde machten ihn der grosse und der kleine Wägli, das heisst: „Schienennetz Schweiz“ und „Bahnprofil Schweiz CH+“. Pensioniert wurde hgw. als Pressechef der SBB.

 

Pesche (Peter), eines der sechs Kinder von Traugott Merz, Stationsvorstand in Wiggen (später Trubschachen), kam mit 16 in eine Typographenlehre nach Pontresina, und pensioniert wurde er als „Leiter Kommunikation Grossprojekte“ bei der SBB. In dieser Funktion hat er acht nationale Abstimmungs­kampagnen koordiniert: unter anderem für die Bahn 2000, für die Neat, für die Offenhaltung der Geschäfte in den Bahnhöfen. Alle Abstimmungen waren erfolgreich. Pesches eigentliches Werk aber sind Bilder. „Natürliche Formen in reinen Farben“ heisst das Werkbuch, das über ihn herausge­kommen ist.

 

Michel Logoz, den die „Plans Fixes“ porträtieren, hat eine Lehre im Lausanner Betreibungsamt gemacht. Die Stelle ist ihm vom Vater zugewiesen worden. Der Sohn sollte am Trockenen sein, wenn es der Wirtschaft schlecht ging. Der Vater hatte als Selbständigerwerbender bei Ausbruch der Weltwirtschaftskrise 1929, Michels Geburtsjahr, viel verloren; und noch einmal 1939, bei Beginn der Mobilisierung. Die Mutter wurde damals zum Arbeiten gezwungen. Um dem Jungen einen Halt zu geben, steckten ihn die Eltern in christliche Vereinigungen, unter anderem in den CVJM. Keine schlechte Idee. Der Glaube hat ihn durchgetragen. Vor der Kamera der „Plans Fixes“ legt der 83-jährige das Bekenntnis ab, er habe stets in Gott gelebt, und Gott in ihm.

 

Michel Logoz hat auch geschrieben: Berichte, Rapporte, Prospekte – und die Summe seiner Erfahrungen: „Weinetiketten aus aller Welt“. Das Buch erschien 1984 in Tübingen. Dazu erklärt Oldrich Hrdina PHV Verlag & Antiquariat in Offenbach am Main:

 

Texte dreispaltig parallel in Französisch, Deutsch und Englisch. Durchgehend farbig illustriert mit aberhunderten Abbildungen von Etiketten sowie Flaschen(formen) und anderem. Fest gebunden in weinrotes Leinen mit schöner goldgepr. Deckelvignette und -Rückentitel. Farbig illustr. Orig. Schutzumschlag. Kein Schuber, davon abgesehen sehr gutes bis tadelloses Exemplar. * Das erste, zu diesem Thema von einem Fachmann vorgelegte Werk, bietet einen umfassenden Überblick zu Entwurf und Gestaltung von Weinetiketten. Ein unentbehrlicher Ratgeber für Grafiker, Designer & Werbefachleute, der aber auch alle Weinliebhaber begeistern wird. Preis: 16 Euro.

 

Um sich in der Welt des Weins einen Namen zu machen, hat Michel Logoz nie aufgehört zu lernen. Nach der kaufmännische Lehre führte ihn der Weg in die Genfer Universitätsbuchhandlung. Dort arbeitete er zwei Jahre lang als Verkäufer und erkannte nebenbei die Gesetze eines gut funktionierenden Betriebs. Im Arbeitszeugnis attestierte ihm der Patron: „Michel Logoz hat das Zeug zum Unternehmer.“

 

Was das bedeutet, hat der Ökonom Hermann Simon ein halbes Jahrhundert später in seiner Untersuchung über die „Hidden Champions“ beschrieben, also jene ungewöhnlich erfolgreichen kleinen und mittelständischen Unternehmen, von denen die Grossunternehmen viel lernen können.

 

Hier drei Aspekte:

 

Es ist für die „Hidden Champions“ eher typisch, dass die Unternehmens­prinzipien nicht schriftlich gefasst sind. Das kennzeich­nende Merkmal ist, dass die Werte akzeptiert und gelebt werden.

 

Die Unternehmenskultur der Hidden Champions ist stark leistungs­orientiert. In unserer Stichprobe ordneten ungefähr zwei Drittel der Befragten den Erfolg dem ganzen Team und seiner Zusammensetzung zu, nur ein Drittel betrachtete Einzelleistungen als Hauptursache des Erfolges.

 

Der Führungsstil ist autoritär, zentralisiert, sogar diktatorisch, wenn es um die Grundsätze und die Grundwerte des Unternehmens geht. Wenn einmal entschieden ist, gibt es keine Diskussion mehr über fundamentale Aspekte, wie z. B. Geschäftszweck, strategische Ziele, Marktschwerpunkte, Qualität oder Service. Diese Grundwerte werden – von oben nach unten – entschieden und angeordnet. Es gibt jedoch ausreichend Spielraum und Beteiligungs­möglichkeiten für den einzelnen oder die Gruppe in der Art und Weise, wie diese Prinzipien ausgeführt und umgesetzt werden. Die Mitarbeiter von „Hidden Champions“ sind normalerweise mit weit weniger Regeln und Einzelvorschriften konfrontiert als die Mitarbeiter in Grossunternehmen.

 

Zu den „Hidden Champions“ gehören nach Hermann Simon die Firmen Gerriets (hundert Prozent Weltmarktanteil für grosse Bühnenvorhänge), Baader (neunzig Prozent Weltmarktanteil für Fischverarbeitungsmaschinen) und Hein (mit „Pustefix“ hundert Prozent Weltmarktanteil für Seifenblasen­dosen im Kinderwarensegment).

 

Auch die Druckerei Roth & Sauter in Lausanne lebte nach dem Modell der „Hidden Champions“, als Michel Logoz’ Vater bei ihr die Leitung der kaufmännischen Abteilung versah. Das Haus stellte unter anderem Etiketten für den Schweizer Weinhandel her. Als der Mitarbeiter, der die Gestaltung verantwortete, unvermutet starb, trat der Patron ins Büro von Vater Logoz: „Diese Nacht ist mir der heilige Geist erschienen. Er hat mir gesagt, ich müsse Michel als Botschafter des Weins berufen. Bringen Sie ihn her!“

 

So führte ein höheres Geschick Michel Logoz in die Kultur des Weins, und seine Arbeit war gesegnet. Unter seiner Ägide konfektionierten Coop, Provins und weitere Kellereien ihr gesamtes Weinsortiment. Er schuf 30’000 Etiketten.

 

Michel Logoz zuzuhören, ist spannend; vor allem, wenn er anfängt, die Philosophie seines Handwerks zu beschreiben. Da wird klar, wie viele verschiedene Bereiche in die Fläche von 9 × 12 cm hineinspielen. Das Weinetikett wird zum Mikrokosmos. Und einmal mehr zeigt sich dabei: Es muss nicht immer das Gymnasium sein. Für einen glücklichen Lebensverlauf tut’s die Lehre auch. Entscheidend ist der wache Geist; nicht der Schultyp.

 

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