Hugo Fasel: Gewerkschaftsaktivist. Der Kampf um die Würde.

4. Oktober 1955 –

 

Aufgenommen am 4. Juli 2023 in Düdingen.

Hugo Fasel – Association Films Plans-Fixes (plansfixes.ch)

 

> Gleich im ersten Satz fassen die „Plans Fixes“ den Lebensinhalt zusammen: „Unermüdlich die Ungleichheiten, die Ungerechtigkeit, die Armut bekämpfen.“ In diesem Sinn wirkte Hugo Fasel während 16 Jahren als Abgeordneter der Christlich-Sozialen Partei in der Nationalratsfraktion der Grünen, als Gewerkschafts­mann, Gründer der Dachvereinigung „Travail Suisse“ und Leiter von Caritas Schweiz für die Benachteiligten. <

 

Wer sich auf Organisations- und Gesetzesebene dafür einsetzt, dass es den Benachteiligten besser geht, entfernt sich unweigerlich vom konkreten Leben. Er steht nicht länger in der Ich-Du-Beziehung (um Martin Buber zu zitieren), sondern in der Ich-Es-Beziehung. Es geht ihm, der Logik der Sache zufolge, nicht mehr um den Einzelmenschen, sondern um „das Problem“ und seine Beseitigung. Darum spricht der Funktionär über die Wirklichkeit nicht mehr mit Geschichten und Gefühlen, sondern mit Zahlen und Statistiken. Er fasst das Konkrete zusammen in Begriffen (wie zum Beispiel Armutsschwelle oder sozialer Brennpunkt), und das Seinsollende wird zum Wort (wie Menschenwürde oder Solidarität).

 

Diesen Vorgang spiegelt das Gespräch mit Hugo Fasel wider. Das Konkrete brachte die Kindheit. In einer Freiburger Bauernfamilie lernte das zweitletzte von neun Kindern die Solidarität als Akt des Teilens: „Zum Geburtstag bekamen wir immer eine Tafel Schokolade. Aber es war selbstverständlich, sie den Geschwistern anzubieten. Da blieb den Beschenkten nicht viel übrig. Andererseits bekamen sie im Jahr noch achtmal zwei Karrees. Da sahen wir, dass Solidarität keinen Verlust bringt, sondern Gewinn.“

 

Die Eltern lebten Gleichheit vor: „Die Mutter organisierte das Familienleben. Sie wies jedem seine Aufgabe zu. Eines musste die Schuhe putzen, eines ums Haus herum saubermachen, eines den Staub nehmen. Jedes tat das ohne Murren.“ Dann kam Hugo aufs Gymnasium in Freiburg, das berühmte Collège Saint-Michel, und damit begann der Übertritt in die Abstraktion. Nach der Matur studierte er Wirtschaftswissenschaften und Philosophie. Da ging es nicht ums einzelne, sondern ums Allgemeine; nicht um die Ausnahme, sondern um die Regel. In diesem Punkt liegt, sagt Milan Kundera, der Unterschied zwischen Kunst und Wissenschaft.

 

In der Folge kümmerte sich Hugo Fasel als Politiker, Gewerkschaftsleiter und Caritasdirektor notgedrungen um die Frage, wie man Gesetze, Regeln und Vereinbarungen formulieren müsse, damit es den Benachteiligten besser gehe. Das Wort wurde sein Hauptgegenstand, die Organisation sein Werkzeug. Diese Tatsache färbt auf Rede und Gebaren des 67-Jährigen ab, zumal ihn Interviewer Patrick Ferla nach zehn Minuten aufs Feld der Sprüche weggedrängt hat. Der Funktionär sagt jetzt nur noch lauter Richtiges. Aber du, Hugo, wo bist du?, möchte man den Rest des Films hindurch rufen.

 

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