Bernard Viglino: Maler, Mosaik- und Glaskünstler.

15. September 1924 – 4. November 2023.

 

Aufgenommen am 11. Mai 1990 in Chavornay.

Bernard Viglino – Association Films Plans-Fixes (plansfixes.ch)

 

> Mit 65 Jahren empfing Bernard Viglino das Kamerateam der „Plans Fixes“ in seinem schönen Berner Haus (Maison Bernoise) aus dem Ende des 16. Jahrhunderts im Dorfkern von Chavornay. Er sei mit der Malerei im dritten Stadium angekommen, sagte er. Aus der anfänglich kriechenden, dann verpuppten Raupe sei ein Schmetterling geschlüpft. Nun male er nicht mehr streng und hart, sondern leicht und mit leuchtenden Farben. „Nur eines macht mir angst: Schmetterlinge leben nicht lange.“ Doch der Gott der Musen zeigte sich gnädig und schenkte Bernard Viglino für sein Wirken eine Lebenszeit von 99 Jahren. <

 

Bernard Viglino habe sich nicht von seinen Gemälden trennen mögen, erzählte Eliane Junod, die Biografin des Künstlers letzten Herbst an einer Signier­stunde in der Librairie Padi in Orbe. Darum trieb er den Preis in exorbitante Höhen. Als sich ein Interessent nicht abschrecken liess und die verlangten 30'000 Franken entrichtete, rief ihn Bernard Viglino am folgenden Tag an und kaufte das Bild zurück.

 

Das Malen war von Jugend auf sein Ding gewesen. „Wenn ich in der Lehrzeit fürs Mittagessen nach Hause kam, ass ich so schnell als möglich, um danach in meinem Zimmer die Staffelei aufzusuchen. Vor ihr verbrachte ich ebenfalls die Feierabende. Malen war meine Leidenschaft; doch dachte ich nicht daran, es zu meinem Beruf zu machen.“

 

Anderseits benützte Bernard Viglino den Beruf, um sich das Malen zu leisten zu können, und trennte die Zeit in Arbeit und Vergnügen. Am Ende war die Arbeit so ertragreich, dass der junge Mann das Malen, freilich bei geringen Lebensansprüchen, fünf bis sechs Monate im Jahr betreiben konnte.

 

Die Basis des Broteinkommens hatte eine Lehre im väterlichen Betrieb (Malerei, Gipserei, Glaserei) gelegt. Dazu war ein Besuch der Kunstgewerbe­schule in Vevey gekommen, und am Ende hatte Bernard Viglino einen Abschluss als Dekorateur. Nun kam er auf Empfehlung der Lehrer zum Maler Gaston Favarel und lernte von ihm die Kunst des Freskos und des Wandgemäldes.

 

Um in Erfahrung zu bringen, was er als Künstler gelte, reichte er daraufhin an einem Wettbewerb den Entwurf zu einem farbigen Kirchen­fenster ein und gewann den ersten Preis: „Von da an brauchte ich mich um Aufträge nicht mehr zu bemühen.“ Bernard Viglino lebte jetzt von Kunst am Bau: Kirchenfenster, Fresken, Wandgemälde, Mosaike.

 

Es ging nicht ohne Kompromisse: Die Auftraggeber hatten oft genaue Vorstellungen bezüglich Form und Gestaltung. Die Ausführung wurde überwacht. Dem Künstler wurde hinterbracht, was in der Gemeinde über sein im Entstehen begriffenes Werk gesagt werde. Doch stets hatte Bernard Viglino die Frau seines Lebens an seiner Seite: Madeleine. Sie hatte ihn mit 25 Jahren kennengelernt und begleitete ihn fortan durch 75 Jahre bis zum Tod.

 

Für die Mosaikarbeiten schnitt sie die Steine zu. Sie assistierte ihm beim Arbeitsprozess. Jedes Jahr lebten die beiden lange Monate von ihrem Berner Haus entfernt. Ein grosses Mosaik konnte bis zu einem Jahr beanspruchen. Aber in der entbehrungsreichen Zeit wuchsen sie aufeinander zu. Und am Ende stellte Bernard fest: „Du hast du mich zu dem gemacht, der ich bin, nicht meine Mutter.“ (C’est toi qui m’as fait, pas ma mère.)

 

Im Film zeigt sich Bernard Viglino nicht als Mann des Wortes. Ein paarmal fragt er den Interviewer: „Was muss ich noch sagen?“ Und was er daraufhin sagt, zeugt vor allem für seine Anspruchslosigkeit. Als er für ein Kloster arbeitete, liessen ihm die Nonnen zum Geburtstag durch ein schwarzes Mädchen einen Apfelkuchen überbringen. Er nickt ergriffen: „Ich liebte ihr strahlendes Lächeln.“

 

„Es ist einmal gegen mich bemerkt worden, dass ich nur das Kleine bilde, und dass meine Menschen stets gewöhnliche Menschen seien.“ Mit diesen Worten beginnt Adalbert Stifter – ein Doppeltalent von Maler und Dichter – die Vorrede zu den „Bunten Steinen“. Und der erste Satz der Erzählung „Kalkstein“ nimmt den Gedanken noch einmal auf: „Ich erzähle hier eine Geschichte, in der nichts Ungewöhnliches vorkommt, und die ich doch nicht habe vergessen können.“ Gleich geht es dem Betrachter mit dem Film über Bernard Viglino. Die Einfachheit des Malers kontrastiert mit der Erhabenheit der religiösen Inhalte, die er für seine kirchlichen Auftraggeber darzustellen hatte.

 

Der Weg der „Plans Fixes“ führt mit Standbildern in seine Welt: Man sieht zuerst das Berner Haus von Chavornay, kommt dann ins Innere, erblickt die Stube und schliesslich den Mann in seinem Sessel. Das Gespräch, das sich daraufhin entspinnt, bringt nichts Aussergewöhnliches. Es begleitet den Künstler durch seine Arbeitsfelder. Doch wie der Dialog zuende ist, mündet der Film wortlos in eine Folge mächtiger Überraschungen.

 

Das Schwarz-Weiss-Format kippt ins Farbige. Das Berner Haus steht nun vor dem blauen Himmel. Das nächste Bild bringt dasselbe Sujet, aber gemalt: zuerst realistisch, dann expressionistisch. Von einem Bild zum nächsten weitet sich der Horizont von Bernard Viglinos Schaffen. Am Ende erweist sich der Film als „eine Geschichte, in der nichts Ungewöhnliches vorkommt, und die ich doch nicht habe vergessen können“.

 

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