Asa Lanova: Von der Geste zum Wort.

17. März 1933 – 26. Dezember 2017.

 

Aufgenommen am 1. April 2009 in Pully.

Asa Lanova – Association Films Plans-Fixes

 

> Drama, sagt sie, sei das Thema ihres Lebens. Die Schule habe sie nicht interessiert. Von ihr sei sie, auf Rat des Rektors, ohne Abschlusszeugnis weggegangen – zum Ballett. Dort verfiel sie einem berückend schönen jungen Mann: Maurice Béjard. Mit ihm tanzte sie. Er war Hamlet. Sie Ophelia. Aber nach kurzer Zeit floh sie vom Partner weg. Später auch vom Tanz. Mit vierzig begann sie eine neue Karriere. Sie schrieb drei verfilmte Fernsehdrehbücher und zehn gedruckte Romane. Heute findet man sie unter dem Namen Asa Lanova in den Buchkatalogen. <

 

Drama, das Thema ihres Lebens. Das Porträt der „Plans Fixes“ beginnt mit einer Aussenaufnahme. Die frühere Tänzerin zeigt auf den Baum, den ihr Grossvater vor dem Haus gepflanzt hat. Sie sagt, sie begrüsse ihn jeden Morgen; sie berühre die Rinde, umarme den Stamm. Vier Jahre später – Asa Lanova zählt jetzt achtzig Jahre – stellt sie fest, dass jemand ihren Garten betreten hat. Sie erstattet Anzeige. Am 12. November 2013 meldet „Le Matin“: „Man vergiftet ihre Bäume!“ (On empoisonne ses arbres !)

 

Das Übermass von Glück weckt den Neid der Götter. Wie der Läufer > Pierre Delèze und die Bergführerin > Nicole Niquille ist auch Asa Lanova nicht zur Realisation ihrer Träume geboren. Im Blick auf die Karriere nennt sie sich eine „Sternschnuppe“, eine „Primaballerina des Tanzstudios“. In den Theatern spricht man von „Kantinengenie“: Solange es nicht gilt, übertreffen diese Künstler all ihre Kollegen. Doch wenn sie vor dem Publikum auftreten sollen, verlässt sie die Kraft. Asa Lanova spricht vom Lampenfieber (le trac). Es bedroht sie als schwarzes Loch.

 

In Paris meldet sich die Zwanzigjährige zum Vortanzen an. Ein berückend schöner Mann nimmt ihren Namen auf. In der Folge wird er ihr Partner – zuerst im Tanz, dann auch im Bett. Doch das Übermass der Liebe, das sie empfindet, zwingt sie zur Flucht: „Ich gehe für drei Wochen in die Schweiz.“ Die Kleider lässt zurück. Aber sie kehrt nie mehr zu Maurice Béjard zurück. Dabei hat sie keinen Mann stärker geliebt. „Als er nach Lausanne zog, machte ich grosse Umwege, aus Angst, ihm zu begegnen.“ Der Fluch der Götter. „Von da an hatte ich nie mehr die Anmut, durch welche sich eine grosse Tänzerin auszeichnet.“

 

Sie arbeitet hart an sich, um von der Pariser Truppe aufgenommen zu werden, von der sie träumt. Zweimal bekommt sie abschlägigen Bescheid. Doch das dritte Mal sagt der Ballettchef: „Wir haben für Sie einen unterschriftsreifen Vertrag. Er liegt oben im Büro. Warten Sie, ich hole ihn gleich.“ Das Übermass des Glücks: Asa Lanova entflieht ihm. „Weinend rannte ich in mein Hotel. Ich wusste, dass ich den grössten Fehler meines Lebens beging. Von jetzt an war die Ballettkarriere kaputt. In meiner Verzweiflung legte ich Hand an mich. Man konnte mich beinahe nicht mehr zurückholen. Darauf hatte ich eine lange Depression.“

 

„Ich bin selten geneigt, etwas auszuführen, worauf ich mich gefreut habe.“ schrieb Wilhelm von Kügelgen, Hofmaler des Herzogs von Anhalt-Bernburg, an seinen Bruder Gerhard:

 

Die Herzogin bat mich, ich möchte doch als ihr Gast nach Alexisbad herauskommen. Sie wollte mir eine Freude machen und dachte, es würde mir gut sein, einmal vier Wochen lang in den schönen Bergen ein recht behagliches Schlaraffenleben zu führen. Es war das Liebste, was mir geboten werden konnte, aber ich fühlte sogleich eine heimliche Neigung, mir und anderen durch Unmut alles zu verderben. Ein Kellner führte mich auf das für mich bestimmte Zimmer. Es war überaus wohnlich, ja reizend, und mir schoss der Gedanke durch den Kopf, ich könnte allein durch Ablehnung dieses Zimmers mir die ganze Badezeit verderben. Was soll das Zimmer kosten? 4 Taler wöchentlich. – Kann man es nicht gegen ein billigeres vertauschen? – O ja, wenn Ihnen ein Bedientenzimmer auf dem Boden nicht zu schlecht ist, da ist noch eines offen zu 1 Taler. – Mir recht, sagte ich, tragen Sie meine Sachen hinauf. Ich bezog nun ein elendes Loch mit einer kleinen Schiessscharte von Fenster, einem Bett, Stuhl, Tisch, Kleiderschrank, das war alles. Ich hätte weinen können, mir so mit einem Male alle Glückseligkeit zerstört zu haben, und doch konnte ich nicht anders.

 

„Mancher ertrinkt lieber, als dass er um Hilfe ruft.“ (Wilhelm Busch).

 

Der Kobold.

 

In einem Häuschen, sozusagen –

(Den ersten Stock bewohnt der Magen)

In einem Häuschen war's nicht richtig.

Drinnen spukt und tobte tüchtig

Ein Kobold, wie ein wildes Bübchen,

Vom Keller bis zum Oberstübchen.

Fürwahr, es war ein bös Getös.

Der Hausherr wird zuletzt nervös,

Und als ein desperater Mann

Steckt er kurzweg sein Häuschen an

Und baut ein Haus sich anderswo

Und meint, da ging es ihm nicht so.

Allein, da sieht er sich betrogen.

Der Kobold ist mit umgezogen

Und macht Spektakel und Rumor

Viel ärger noch als wie zuvor.

Ha, rief der Mann, wer bist du, sprich.

Der Kobold lacht: Ich bin dein Ich.

(Wilhelm Busch.)

 

Mit 38 Jahren verabschiedet sich Asa Lanova von der Bühne. In einem stillen, alten Waadtländer Bauernhaus, in dem einst Clara Haskil wohnte, beginnt sie zu weben. Dann zu schreiben. Nachdem sie die demenzkranke Mutter in die Klinik von Cery einliefern musste, zieht sie ins Haus ihrer Jugend. Der Grossvater hat es errichtet. Im Garten steht sein alter Baum: Mit der Rinde zum Streicheln und dem Stamm zum Umarmen. „Ich lebe hier glücklich, aber mit vielen Verletzungen.“ Zum Zeitpunkt der Aufnahme hat Asa Lanova einen Hund und elf Katzen. Früher waren es fünf Hunde und neunzehn Katzen. „Die Tiere suchen mich auf, und ich weise sie nicht ab. Wir verstehen uns ohne Worte.“

 

2011 erscheint Asa Lanovas letzter Roman: „Die nackten Stunden“ (Les Heures nues). Er bringt die Zusammenfassung ihres Lebens:

 

Eine Frau blickt auf ihre Vergangenheit zurück und durchlebt das Entzücken, aber auch die Zerrissenheit ihrer Jugendzeit. Sie strebte eine brillante künstlerische Karriere an und machte vielversprechende Anfänge in Paris. Doch dann wurde sie von einem unüberwindlichen Lebensschmerz geplagt, von der Angst, den Erwartungen nicht gerecht zu werden, und entlief in eine Reihe von unverständlichen Fluchten, aus denen sie für immer geschädigt hervorgeht. Eine erste Liebe dominiert dieses Buch, schwindelerregend und unvergesslich. Um sich von ihren Verletzungen zu heilen, wählt sie schliesslich eine fast mönchische Einsamkeit, und daraus entsteht das Schreiben, das zu ihrem Ventil und ihrem Überleben wird. Zu Beginn der Erzählung fragt sich die Erzählerin, ob die Zeit sie im Griff hat, und weigert sich, das zuzugeben, was sie dennoch von allen Seiten um sich herum spürt, den Verfall, den sie vehement leugnet, indem sie sich an den „harten Wunsch, zu bestehen“ klammert, der sie am Leben hält. In dieser gleichzeitig angenommenen und manchmal schlecht erlebten Einsamkeit entdeckt sie bei der Rückkehr in das Haus ihrer Kindheit eine bodenständige Natur, eine grenzenlose Leidenschaft für die Tiere und eine tiefe Verbundenheit mit der Erde. Aufgrund einer Art Schicksal, das sie alles verlieren liess, was ihr am meisten bedeutete, fürchtet sie, aus dem Garten gerissen zu werden, wie es mit ihrer Mutter geschehen ist. Doch trotz des Verfalls, dem sie sich mit aller Kraft widersetzt, behält sie die zwanghafte Suche nach fleischlichen Leidenschaften bei, die sie trotz des Verlusts des geliebten Menschen bis zum Wahnsinn auslebt. Eros gegen Thanatos. Trotz einiger ihrer schädlichen Triebe offenbart diese Erzählung einen rasenden Lebenswillen gegen alle Widerstände. Mit dem hartnäckigen, unbeugsamen Willen, bis zum Ende aufrecht zu bleiben.

(Klappentext.)

 

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