26. Juli 1946 –
Aufgenommen am 21. April 1992 in La Combe du Sapin, Lignières.
Fernand Cuche – Association Films Plans-Fixes
> Als Fernand Cuche am 21. April 1992 vom Team der „Plans Fixes“ besucht wird, gehört er mit 45 Jahren zu den jüngsten Persönlichkeiten der Filmsammlung. Sieben Jahre nach der Aufnahme werden ihn die Neuenburger als Mitglied der Grünen in den schweizerischen Nationalrat wählen, und nochmals sechs Jahre später wird er in der Exekutive des Kantons Neuenburg das Amt eines Staatsrats antreten, wo er für ein Jahr das Präsidium versehen wird. Nach dem Ablauf seiner Legislatur jedoch wird ihm das Volk die Wiederwahl verweigern, und mit 67 Jahren wird Fernand Cuche die politische Laufbahn beenden. Diesen Samstag wird er seinen 79. Geburtstag feiern. <
Im einfachen, abgelegenen Holzhaus auf dem Hochplateau von Lignères steht das Fenster offen. Darum dringt für einen Moment der Lärm eines Propellerflugzeugs in den Film. Sonst ist es am Fuss des Chasseral still. Erst gegen Ende der Aufnahme beginnt ein Vogel zu zwitschern. Hier findet Fernand Cuche Ruhe. Hier schöpft er Kraft. In der Combe du Sapin auf 900 m ü. M. liegen seine Wurzeln. Im übrigen besteht sein Leben aus Offenheit und vielen Anfängen.
Fernand Cuche wächst in einer Bauernfamilie auf. Da erlebt er häusliche Gewalt. Mit diesem Begriff umschreibt er, dass die Mutter vom alkoholsüchtigen Vater geschlagen wird. Der starke Mann, zu dem der Bub aufblickt, wenn er im Wald die grossen Bäume fällt, hat eine zarte Seite. Auf dem Heimweg fasst er gern schweigend die Hand des Kindes. Doch wenn er getrunken hat, und das passiert oft, wird es schlimm. In dieser Lage lernt der Sohn, zwischen Streitende zu treten und Entspannung herbeizuführen.
Die Kraft, die Ehe zu ertragen, bezieht die Mutter aus dem Glauben. Sie strahlt ihn in Form von Liebe aus, und Fernand übernimmt von ihr, für die anderen da zu sein. Seine Leitsterne werden Mitmenschlichkeit und Naturnähe. Als Sozialarbeiter nimmt er sich der Benachteiligten an. Als Bauer setzt er sich dafür ein, dass die Landwirtschaft weniger aggressiv mit der Natur umgeht, indem sie auf ökologische Verfahren wechselt. Mit 28 Jahren wird er Generalsekretär des Schweizerischen Landwirtschaftsgewerkschaft UPS (Union des producteurs suisses), heute Uniterre.
Hinter Fernand Cuche liegt ein gewundener Weg. Das Gymnasium hat er nach zwei Jahren abgebrochen, weil sich in der Stadt nicht wohl fühlte und keinen Anschluss fand. Dafür unterzog er sich der Grenadierrekrutenschule in Losone, der härtesten Ausbildung der Schweiz. Dort stellte er seinen Mann. Doch nach vier Jahren regte sich das Gewissen. Er verweigerte den Militärdienst und büsste dafür mit Gefängnis. Beim Centre Social Protestant fand er Hilfe. Insgesamt errang drei Ausweise: Lastwagenfahrer, Carchauffeur und Sozialarbeiter. Nun schildert er mit klaren Worten und hellem Bewusstsein seinen Werdegang und seinen Charakter.
… ich bin kein ausgeklügelt Buch,
Ich bin ein Mensch mit seinem Widerspruch …
(Conrad Ferdinand Meyer)
In der einfachen Stube auf dem Hochplateau von Lignères spiegelt das Gespräch mit dem 45-jährigen Fernand Cuche die Bedingungen der Zeit und des Bauerntums. Und am Südhang von Lützelflüh schrieb im Alter von vierzig Jahren sein geistiger Vetter Jeremias Gotthelf:
Ja, mein Ländchen liebe ich, und diese Liebe ist’s, die mich stark gemacht.
Was kann ich dafür, dass es in mir sprudelt und kocht, wenn ich das Glück dieses Ländchens durch selbstsüchtige Leidenschaftlichkeit niedergetreten, durch Frechheit zerstört, durch Laster aufgezehrt, durch schnöde Geldsucht ausgebeutet, durch Unbedachtsamkeit, Rechthaberei oder Leichtsinn untergraben sehe. Verzeiht mir nun, wenn es auch überkocht! Und findet man mein Beginnen unrecht, so verzeihe man mir um meiner Liebe willen, die mich zum Reden zwang.