Jean-Jacques Langendorf: Von der Bombe zur Krone.

28. April 1938 –

 

Aufgenommen am 3. Mai 2000 an der La Côte.

Jean-Jacques Langendorf – Association Plans Fixes

 

> Die Weite der Räume, die Jean-Jacques Langendorf durchmessen hat, ist nicht nur beeindruckend, sondern auch verstörend. In der Jugend nährte er seinen Geist mit Bakunin und Kropotkin und wurde Anarchist. Um ein Zeichen gegen die Diktatur von General Franco zu setzen, zündete er das spanische Konsulat in Genf an. Enttäuscht von den Führern der Achtundsechziger-Bewegung wandte er sich dann dem Reaktionär Carl Ludwig von Haller zu und wurde Royalist. Zum Zeitpunkt der Aufnahme für die „Plans Fixes“ lebt er mit seiner Familie in einem grossen niederöster­reichischen Barockschloss. <

 

In einem Brief an den Freund Georg Friedlaender schrieb Theodor Fontane am 1. Mai 1890:

 

Bei Stöckhardts ist nächstens Taufe; dies 4. Kind soll den Namen Rigaud oder Rigaut oder Riego erhalten. Unsre alte Mathilde, vordem fast 20 Jahre in unsrem Hause, war gestern zur „Aushülfe“ bei Stöckhardts und liebt die schönen Kinder sehr, besonders Immo. Gestern Abend sagte sie: „Immo, Enzio und nu Rigaud, da weiss ich gar nich, was der ‚Felix‘ dazwischen soll.“

 

Bei Jean-Jacques Langendorf stellt sich 110 Jahre später die Frage, was die Caroline dazwischen soll. Die Kinder des Historikers heissen nämlich Aljoscha, Atala Clément, Alarich Téboutchine, Athénaïse Bellona – und eben: Caroline.

 

Es sind im wesentlichen royalistische Namen. Sie spiegeln das Interesse des Vaters wider. Bellona ist eine griechische Kriegsgöttin, Schwester des Mars; und Jean-Jacques Langendorf arbeitet als Studienleiter am Institut de stratégie comparée in Paris. Atala anderseits heisst die Titelfigur im epochemachenden Werk des Royalisten François René, Vicomte de Chateaubriand: „Atala oder Die Liebe zweier Wilder in der Wüste“ (Atala ou Les amours de deux sauvages dans le désert).

 

Die Familie Langendorf nun wohnt nicht in der Wüste, sondern im Schloss Dross zwischen Weinbergen, Wäldern und Donau. Das Institut für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit schreibt über die Anlage:

 

Das Schloss ist von polygonal verlaufenden Umfassungsmauern mit frühbastionären Elementen umgeben. Weiter ausgreifende Mauern stellen die Verbindung zu einem östl. situierten, ausgedehnten Meierhofareal her, dessen 1–2-gesch. Verbauung aus dem 16. und 18. Jh. stammt. Südöstl. und südl. des Schlosses erstrecken sich ausgedehnte ehem. Garten- bzw. Parkanlagen.

 

Und weiter:

 

Das privat bewohnte und bewirtschaftete Schloss ist nicht zu besichtigen. Der äussere Hof mit der frei stehenden, allerdings versperrten Burg- und Schlosskapelle ist frei zugänglich.

 

Im Schloss Dross wachsen zum Zeitpunkt der Aufnahme im Jahr 2000 die Kinder von Jean-Jacques Langendorf auf, zusammen mit Pferden, Maultieren, Gänsen, Ziegen und einem Rottweiler. In dieser Schar hat der Vater die Schönheit und Würde des animalischen Lebens entdeckt. Vorher konnte er mit Tieren nichts anfangen. Jetzt aber ist er beeindruckt von ihrer Sensibilität und Intelligenz. Sie trösten ihn über die Welt als Trauerspiel hinweg.

 

Laut Martin Opitz besteht eine Tragödie aus „Totschlägen / Verzweifelungen / Kinder- und Vatermorden / Bränden / Blutschanden / Krieg und Aufruhr / klagen / heulen / seufzen und dergleichen“. Mit diesen Elementen umschreibt der Barockdichter 1624 die Nachrichtenlage unserer Tage.

 

Im Unterschied zu den Achtundsechzigern, sagt Langendorf, hätten die antirevolutionären Staatsdenker der Reaktion das Wesen der Welt nicht verkannt. Deshalb habe ihn „die krankhafte Selbstliebe der verwöhnten Pariser Jugend“ vom Anarchismus auf den Monarchismus gebracht.

 

Ob er damit die Lösung gefunden hat? Chateaubriand, der Mann des Königtums, hätte es verneint:

 

Politische Unbeweglichkeit ist unmöglich; wir müssen mit der menschlichen Intelligenz voranschreiten. Respektieren wir die Majestät der Zeit; betrachten wir mit Verehrung die vergangenen Jahrhunderte, die durch das Gedächtnis und die Überreste unserer Väter heilig geworden sind; aber versuchen wir nicht, zu ihnen zurückzukehren, denn sie haben nichts mehr von unserer Wirklichkeit, und wenn wir vorgeben, sie zu ergreifen, zerfallen sie.

 

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