Alain Burnand: Pfarrer.

29. August 1925 –

 

Aufgenommen am 18. Juli 1998 in Seppey.

Alain Burnand – Association Plans Fixes

 

> Als die „Plans Fixes“ noch auf Zelluloid aufgenommen wurden, kamen fünf Rollen auf einen Film. Alain Burnand bedingte sich aus, für jede Sequenz einen anderen Gegenstand ins Zentrum setzen zu können. Auf diese Weise wurde sein Film zu einer Folge von fünf Kurzpredigten. Der Geistliche sieht darin nichts Schlimmes, selbst wenn der Volksmund sagt: „Wer immer predigt, kriegt leere Bänke.“ Denn als Spitalseelsorger hat Alain Burnand auch das Zuhören gelernt. <

 

Getauft wurde Alain Burnand erst mit zwei Jahren; nicht in einer Kirche, sondern auf einer Wiese neben dem Malatelier seines Grossvaters Eugène Burnand. Das Wasser kam dort aus der Quelle auf ein Silbertablett. Von ihm war der Täufling fasziniert, weil es die Gesichter der Angehörigen spiegelte. Nun zieht Alain Burnand dieses Silbertablett für die „Plans-Fixes“-Aufnahme hervor.

 

Alles an der ersten Szene ist bedeutungsvoll – wie zur Bestätigung von Goethes Gedicht:

 

Urworte. Orphisch.

 

Wie an dem Tag, der dich der Welt verliehen,

Die Sonne stand zum Grusse der Planeten,

Bist alsobald und fort und fort gediehen

Nach dem Gesetz, wonach du angetreten.

So musst du sein, dir kannst du nicht entfliehen,

So sagten schon Sibyllen, so Propheten;

Und keine Zeit und keine Macht zerstückelt

Geprägte Form, die lebend sich entwickelt.

 

An dem Tag, an dem Alain Burnand unter dem freien Himmel getauft wurde, spiegelte sich die Auffassungsweise der Waadtländer Freikirche ab: „Im Unterschied zur Staats- oder Volkskirche“, erklärt der Brockhaus, verstehe sich eine Freikirche als „eine frei konstituierte Kirche. Neben der Forderung nach völliger Trennung von Staat und Kirche betonen alle Freikirchen eine bewusste Entscheidung für die Mitgliedschaft, die aktive Mitgestaltung des Gemeindelebens im Sinne des reformatorischen Priestertums der Gläubigen, den kirchlichen Auftrag der Mission und Evangelisation sowie die Kirchenzucht. Der Begriff ‚Freikirche‘ (engl. ‚Free Church‘) ist erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts aufgekommen; fast zeitgleich in Schottland und in der Westschweiz.“

 

Wer aber konnte 1927 schon wissen, dass Alain Burnand später für seine Kirche fünfzehn Jahre lang im Freien predigen werde, auf der Strasse, auf dem Campingplatz, am Volksfest, wo immer es sich gerade ergab („Auftrag der Mission und Evangelisation“)? Und dass er seine Tätigkeit als Seelsorger bei „der Quelle“, das heisst bei der „Clinique de la Source“ in Lausanne beenden werde, ganz nach dem Wort der Philosophin Simone Weil: „Macht, dass euer Leben keine Linie sei, sondern ein Kreis“? (Faites que votre vie ne soit pas une ligne, mais une boucle.)

 

Bei Alain Burnand ging es vom Aufgang bis zu seinem Niedergang um das Wasser des Lebens:

 

Er musste aber durch Samarien reisen. Da kam er in eine Stadt Samariens, die heisst Sychar. Es war aber daselbst Jakobs Brunnen. Da nun Jesus müde war von der Reise, setzte er sich auf den Brunnen; und es war um die sechste Stunde. Da kommt eine Frau aus Samarien, Wasser zu schöpfen. Jesus spricht zu ihr: Gib mir zu trinken! Denn seine Jünger waren in die Stadt gegangen, dass sie Speise kauften. Spricht nun die samaritische Frau zu ihm: Wie bittest du von mir zu trinken, der du ein Jude bist, und ich ein samaritisch Weib? – Denn die Juden haben keine Gemeinschaft mit den Samaritern. Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und wer der ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken! du bätest ihn, und er gäbe dir lebendiges Wasser. Spricht zu ihm die Frau: Herr, hast du doch nichts, womit du schöpfest, und der Brunnen ist tief; woher hast du denn lebendiges Wasser? Bist du mehr als unser Vater Jakob, der uns diesen Brunnen gegeben hat? Und er hat daraus getrunken und seine Kinder und sein Vieh. Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten; wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird es ewiglich nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm ein Brunnen des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt. Spricht die Frau zu ihm: Herr, gib mir solches Wasser, auf dass mich nicht dürste und ich nicht mehr herkommen müsse, zu schöpfen. (Joh. 4, 5-15.)

 

Das Silbertablett, in dem Alain Burnand als Zentralfigur der Taufe die Gesichter der Angehörigen erblickte, nahm die Situation des Predigers in der Kirche vorweg: „Einer kann nur predigen, aber viel können singen“, sagt der Volksmund. Alain Burnand demgegenüber erklart: „Den Auftrag, das Evangelium zu verkündigen, wurde mir am Ende meiner Ausbildung in der Kathedrale von Lausanne gegeben.“ Damit rechtfertigt er, dass alles, was er sagt, mit Jesus verknüpft ist. Und das Predigen ist seine Art, auf die Liebe Gottes zu antworten, selbst wenn er erfährt, dass ihm seine Rede Anfeindungen bringt. Doch: „So musst du sein, dir kannst du nicht entfliehen“.

 

Wenn ihr aber in eine Stadt oder ein Dorf geht, da erkundigt euch, ob jemand darin sei, der es wert ist; und bei demselben bleibet, bis ihr von dannen zieht. Wenn ihr aber in ein Haus geht, so grüsset es; und wenn es das Haus wert ist, wird euer Friede auf sie kommen. Ist es aber nicht wert, so wird sich euer Friede wieder zu euch wenden. Und wenn euch jemand nicht aufnehmen wird noch eure Rede hören, so geht heraus aus jenem Hause oder jener Stadt und schüttelt den Staub von euren Füssen. (Matth. 10, 11-14)

 

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