Schwester Edith Moser: Diakonisse von Saint-Loup – Hebamme und Krankenschwester.

25. März 1914 – 20. Januar 2000.

 

Aufgenommen am 7. September 1992 in L’Isle.

Soeur Edith Moser – Association Films Plans-Fixes (plansfixes.ch)

 

> Am 7. September 1992 hat Schiffskassier N.N. Dienst auf Motor­schiff „Büren“. Er macht die Kurse auf der Aare zwischen Biel und Solo­thurn. Derweil sitzt Schwester Edith Moser am Fuss des Waadtländer Juras in der Diakonissentracht vor der Kamera der „Plans Fixes“. Eine weisse Haube bedeckt ihren Hinterkopf. Die Schlaufen verknoten sich kunstvoll unterm Kinn und gleichen den Beffchen der protestantischen Pfarrer. Über ihrer Brust hängt ein Diakonissenkreuz: „Damit zeige ich, dass ich mich als Dien­erin des Herrn verstehe“, erklärt die 78-Jährige. Ihr Leben bestand ausschliess­lich in der Verkündigung der frohen Botschaft und im Dienst an den Alten und Kranken. Wer wünscht sich heute noch eine solche Existenz? <

 

Gestern titelte das SRF-Regionaljournal Zentralschweiz: „Das Ende einer Ära: Stanser Kapuzinerinnen verlassen Kloster.“ Per Jahresende ziehen die letzten acht Schwestern des Klosters Sankt Klara nach Luzern. Es ist nicht die einzige Schliessung in der Zentralschweiz: „Die Überalterung und der fehlende Nachwuchs zwingt viele Gemeinschaften zum Umzug. Das Männerkloster in Stans, in dem ebenfalls Kapuziner wohnten, wurde bereits 2004 geschlossen. Im gleichen Jahr wurde auch das Kapuzinerinnen-Kloster in Altdorf aufgegeben. Und 2019 sind die benediktinischen Schwesterngemeinschaften aus ihren Klöstern in Wikon und Melchtal ins Kloster Sankt Andreas in Sarnen umgezogen.“

 

Eine Woche zuvor berichtete das SRF-Regionaljournal Aargau Solothurn: „Klostersterben. Die Kapuziner verlassen Olten nach 400 Jahren. Seit 1646 gibt es in der Stadt Olten ein Kapuzinerkloster. Die Brüder geben den Standort nun auf – wegen Überalterung. Der Kanton ist Eigentümer des Kapuzinerklosters Olten. Mit dem Wegzug der Ordensbrüder besitzt er bald ein weiteres leeres Kloster. Das Kapuzinerkloster in der Stadt Solothurn steht seit 2003 leer.“

 

Das Diakonissenhaus von Saint-Loup im Waadtland gibt es heute noch. Drei Diakonissen leben dort. Zu ihnen stiessen 2022 neun Zuzügerinnen. Wenn sie bleiben wollen, müssen sie ein zweijähriges Noviziat absolvieren, dann mehrere Jahre in der Tracht dienen, bis sie am Ende zur Diakonisse geweiht werden. 1992, zum Zeitpunkt der Aufnahme für die „Plans Fixes“, umfasste die Gemeinschaft in Saint-Loup 200 Frauen, erzählt Edith Moser. Und als sie eintrat (ein halbes Jahrhundert zuvor), waren es 450 Schwestern. „Heute haben die Frauen viele andere Möglichkeiten, sich zu verwirklichen“, erklärt die betagte Diakonisse. „Das ist ein Grund für den Rückgang. Der andere ist das Zölibat.“

 

Auch Edith Mosers Mutter hatte mit der Ehelosigkeit Mühe. Sie sah die Tochter als Pfarrersfrau. Eine ältere Schwester versuchte, ihr das keusche Leben mit Vehemenz auszureden: „Du bist zum Gebären gemacht!“ In der Tat: Mit 16 war Ediths Lebenstraum noch eine Familie mit vier Kindern. Doch am Waadtländer Kantonsspital lernte sie bei der Ausbildung zur Hebamme die Diakonissen kennen. Sie leiteten die Abteilungen, beaufsichtigten die Pflegerinnen und beeindruckten alle, die mit ihnen zu tun bekamen, durch ihre Menschlichkeit, ihre Zuverlässigkeit und Kompetenz. Sie hatten die Ausstrahlung von Vorbildern.

 

Eingeladen, am Jahresfest der Gemeinschaft von Saint-Loup teilzunehmen, vernahm Edith Moser den Satz: „Du musst Diakonisse werden!“ An den nächsten Tagen ging er ihr nicht aus dem Sinn. Sie verstand ihn als Ruf des Herrn. Und sie sagte sich: „Wenn ich ihm nicht folge, werde ich meiner Lebtag unglücklich sein.“ So beschloss sie, sich von Gott leiten zu lassen. „Es war der grösste Moment meines Lebens“, sagt die 78-Jährige. „Ich empfand nie ein dermassen grosses Glück wie damals.“

 

Die Diakonissenhäuser entstanden in der evangelischen Kirche des 19. Jahrhunderts als Gegenmodell zu den Frauenklöstern des Katholizismus. Sie inspirierten sich am Dienst der unverheirateten Frauen oder Witwen im Urchristentum für Gemeinde, Frauen und Kinder (Vorbereitung auf die Taufe, Krankenbesuche und anderes).

 

Als Edith Moser in Saint-Loup eintrat (wo sie > Lydia von Auw begegnete, der ersten Seelsorgerin der Eglise Libre), bestand die Aufgabe der Diakonissen in der Krankenpflege, der Jugend- und Altenfürsorge. Theologisch begründet war der Dienst in der Nachfolge Christi und der christlichen Nächstenliebe. Dabei ging es auch um die „innere Mission“: Seelsorge und Verbreitung der frohen Botschaft. Nach beruflicher und biblisch-diakonischer Ausbildung und mehrjähriger Bewährung in Beruf und Gemeinschaft erfolgten Einsegnung zum Diakonissenamt und Aufnahme in die Schwesternschaft.

 

So kam die Hebamme Edith Moser noch zum Beruf der Krankenschwester, und in dieser Funktion leitete sie vier Jahre lang die Geburtsabteilung des Spitals von Le Locle, bevor sie zum Dienst in den sieben Dörfern von L’Isle am Fuss des Waadtländer Juras geschickt wurde. Anfangs besuchte sie die Kranken mit dem Velosolex, musste aber nach einem Schaden auf ein einfaches Velo umsteigen.

 

Ein reicher Industrieller empfand Mitleid mit der kleinen Schwester: „Ich sah, wie sie bei Kälte in die Hände hauchte.“ Er schenkte ihr einen VW Käfer und ersetzte ihn jedesmal durch ein neues Modell, wenn er 75’000 Kilometer auf dem Zähler hatte.

 

Edith Moser versah ihren Dienst am Fuss des Waadtländer Juras 26 Jahre lang. Das Einkommen ging ans Mutterhaus. Aus Saint-Loup bekam sie, was sie brauchte. Anfangs war die Arbeitszeit noch ungeregelt. Die Diakonissen arbeiteten von sechs Uhr früh bis abends zehn. Ihr Leben bestand in Nächstenliebe. Sich den Hilfsbedürftigen zu widmen, war ihre Aufgabe und ihr Lohn.

 

2012 wurde Edith Mosers Filmporträt restauriert und von  den „Plans Fixes“ umkopiert auf digitales Format. Es zeugt von einer vergangenen Zeit.

 

Die „Vorschriften 611 der Bielersee-Schiffahrts-Gesellschaft vom 1. Mai 1972 für die Abrechnung, den Kassendienst, die Billetkontrolle und den Güterverkehr mit dem Hotel auf der St. Petersinsel“ vermerkten unter:

 

Besondere Fahrvergünstigungen (630)

 

IV. Krankenschwestern und Krankenpfleger

 

Krankenpflegepersonal wird auf den Preisen der gewöhnlichen Billette einfacher Fahrt und für die Hin- und Rückfahrt eine Ermässigung von 50 % für folgende Fahrten gewährt:

 

– zur Ausübung unbezahlter Krankenpflege,

– zum Besuch von Krankenpflegekursen,

– zur Erholung. In diesem Falle darf die Rückfahrt frühestens am dritten Tag erfolgen. Krankenschwestern haben auf Erholungsreisen ihre Schwesterntracht zu tragen.

 

In seinen 43 Dienstjahren zwischen 1965 und 2008 ist Schiffskassier N.N. nie einer Krankenschwester in Tracht begegnet, weder auf dem Bieler-, Neuenburger- oder Murtensee noch auf der Aare. Jetzt, wo er pensioniert ist, weiss er dank den „Plans Fixes“, wie er sich eine solche Vergünstigungsberechtigte vorzustellen gehabt hätte.

 

 

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