Pascal Couchepin: Bundesrat.

5. April 1942 –

 

Aufgenommen am 13. Dezember 2010 in Martigny.

Pascal Couchepin – Association Films Plans-Fixes (plansfixes.ch)

 

> Wenn auch vielleicht nicht gerade das Amt des Bundesrats, so doch gewiss die politische Karriere sind Pascal Couchepin in die Wiege gelegt worden. Seit die Familie um 1750 aus Delle im Jura nach Martigny im Wallis eingewandert ist, haben sich die Couchepins stets durch ihr Engagement für die Gesell­schaft hervorgetan. Bei Pascal, dem späteren Bundesrat und Bundespräsi­denten, verwirklichte sich die Weissagung, die Jeremias Gotthelf 1842 in „Eines Schweizers Wort an den schweizerischen Schützenverein" gerichtet hat: „Im Hause muss beginnen, was leuchten soll im Vaterland.“ <

 

Pascal Couchepins Urgrossvater Joseph Couchepin war Walliser Grossrat und Richter am Appellationsgericht. Der Grossvater Jules Couchepin war Walliser Grossrat und Stadtpräsident von Martigny. Der Grossonkel Arthur Couchepin Walliser Grossrat und Stadtpräsident von Martigny, später Bundesrichter und, als erster Walliser, Präsident des Bundesgerichts. Pascal Couchepins Onkel Louis Couchepin wurde als Ersatz für seinen zurückgetretenen Vater ans Bundesgericht gewählt und stand dem Bundesstrafgericht, der ersten Zivilabteilung und schliesslich der öffentlichrechtlichen Kammer vor. Pascal Couchepins Vater Henri Couchepin war Sekretär des Verbands der Walliser Industriellen und Walliser Grossrat; der Bruder Jean-Jules Couchepin Divisionär, Waffenchef der Artillerie und Militärattaché in Paris. Couchepins Vetter François schweizerischer Bundeskanzler. Pascal Couchepin selbst war Stadtpräsident von Martigny, Nationalrat, Bundesrat und Bundespräsident. Im Hause muss beginnen, was leuchten soll im Vaterland. Seit 2017 amtiert Pascals Tochter Anne-Laure Couchepin Vouilloz als Stadtpräsidentin von Martigny.

 

Die Tüchtigkeit, durch die sich das Geschlecht der Couchepins auszeichnet, liegt offensichtlich darin, dass jeder an seiner Stelle das Seine tat, um die Gesellschaft voranzubringen. Als er an der Uni Lausanne Jus studierte, gründete Pascal Couchepin einen Lesezirkel zum Studium der Utopisten: Wie könnte eine bessere Welt aussehen und wie kommen wir zu ihr? Im Kern seines Denkens stand, wie der 68-Jährige nach dem Rücktritt aus der eidgenössischen Exekutive in den „Plans Fixes“ erklärt, das freisinnige Credo der Selbstverantwortung. Das schliesst Rücksichtnahme auf die Schwachen nicht aus. Von 1975 bis zur Wahl in den Bundesrat 1998 präsidierte Pascal Couchepin die Walliser Vereinigung für körperlich und geistig Behinderte sowie von 1995 bis 1998 die Schweizerische Multiple Sklerose Gesellschaft. 

 

In unzeitgemässen Betrachtungen hat der Berner Professor der Erziehungs­lehre Jakob Robert Schmid ein Plädoyer für Menschen von Couchepins Schlag vorgetragen. Dabei hatte er „nicht die einzelnen schlechthin, sondern bestimmte einzelne im Auge“:

 

Es sind die, die später einmal Meinungen „machen“ werden, die also, von denen immer wieder Prägung, Umprägung, Neuprägung herrschender Mentalität ausgehen wird, auch in kleinen Menschenkreisen. Das sind die, die man meist schon in der Jugend als starke Persönlichkeiten erkennt. Es sind die, mit denen viele Erzieher nicht gern zu tun haben. Heute aber muss die Erziehung gerade vor allem mit ihnen zu tun haben wollen. Ziel ist, dass der Heranwachsende, seiner Eigenart gemäss, zu möglichst kulturgünstigem Verhalten fähig werde.

 

„Im Juni 2009 kündigte Couchepin seinen Rücktritt aus dem Bundesrat an. Er engagierte sich fortan in verschiedenen gemeinnützigen Organisationen.“ (Historisches Lexikon der Schweiz)

 

Erziehung zur Selbstbestimmung muss auch für den Erzieher ein dringendes Gegenwartsanliegen sein, der illusionslos damit rechnet, dass auch in Zukunft der Grossteil der Menschen, die sich in Selbstbestimmung stehend vermeinen, doch meist das wollen, was gilt, oder was „zieht“ – also das, was eine verbreitete Meinung will, eine kritiklos angenommene herrschende Mentalität.

 

Erich Fromm, Zeitgenosse Jakob Robert Schmids, beobachtete in den „demokratischen Gesellschaften ein beängstigendes Mass an Konformität“:

 

Die meisten Menschen sind sich nicht einmal ihres Bedürfnisses nach Konformität bewusst. Sie leben in der Illusion, eigenen Vorstellungen und Neigungen zu folgen, Individualisten zu sein und als Ergebnis eigenen Denkens ihre Meinung gebildet zu haben – dass ihre Vorstellungen demnach also rein zufällig denen der Majorität entsprechen. Diese Übereinstimmung nehmen sie als Beweis dafür, dass „ihre“ Vorstellungen eben richtig sind.

 

Wenn ich genauso bin wie alle anderen, wenn ich weder Gefühle noch Gedanken habe, die mich von ihnen unterscheiden, wenn ich in Bräuchen, Kleidung, Vorstellungen mit dem Vorbild der Gruppe übereinstimme, bin ich gerettet, gerettet vor dem entsetzlichen Erlebnis der Einsamkeit.

 

Pascal Couchepin musste immer wieder erleben, dass er sich im Bundesrats­ranking an unterster Stelle der Bevölkerungsgunst fand. Er war nicht beliebt. Der Grund: Er war, wie Erich Fromm sagt, kein „Herdenmensch“:

 

Der „angepasste“ Mensch hat sich zu einem Gebrauchsartikel gemacht, an dem nichts klar bestimmt oder bleibend ist ausser seinem Bedürfnis zu gefallen und seiner Bereitschaft, die Rolle zu wechseln. Solange er mit seinen Bemühungen Erfolg hat, erfreut er sich eines gewissen Grades von Sicherheit. Aber sein Verrat an seinem höheren Selbst, an den menschlichen Werten, schafft in ihm eine Leere und Unsicherheit, die zutage tritt, sobald in seinem Kampf um Erfolg etwas schiefgeht. Der Mensch, der innere Stärke und Ganzheit erlangt hat, mag oft weniger erfolgreich sein als sein skrupelloser Nachbar, aber er wird über ein Gefühl der inneren Sicherheit, über Urteilsvermögen und Objektivität verfügen, die ihn weniger empfindlich machen gegen schicksalshafte Veränderungen und die Meinung der Leute, und die seine Fähigkeit zu aufbauender Arbeit auf vielen Gebieten erhöhen werden.

 

Igor Markewitch, international bekannter Dirigent zeitgenössischer Werke, fasste – wie Pierre Boulez – diese Haltung zusammen mit den Worten: „Ich will nicht geliebt werden, ich will überzeugen.“ Bundesrat Pascal Couchepin hat 21 von 24 Volksabstimmungen gewonnen.

 

142 Views
Kommentare
()
Einen neuen Kommentar hinzufügenEine neue Antwort hinzufügen
Ich stimme zu, dass meine Angaben gespeichert und verarbeitet werden dürfen.*
Abbrechen
Antwort abschicken
Kommentar abschicken
Weitere laden
Dialog mit Abwesenden / Réponses aux Plans Fixes 0