Claude de Ribaupierre: alias Derib. Comics-Autor, ein Glaubensbekenntnis.

8. August 1944 –

 

Aufgenommen am 30. September 2008 in La Tour-de Peilz.

Claude de Ribaupierre – Association Films Plans-Fixes (plansfixes.ch)

 

> Am 13. Mai 2022 erschien der bisher letzte, 42. Comics-Band mit dem Helden Yakari, einem Sioux-Jungen, der die Sprache der Tiere beherrscht. Sein geistiger Vater und Zeichner Derib (mit bürgerlichem Namen Claude de Ribaupierre) zählte damals 77 Jahre. Bis 2016, das heisst bis zum 39. Band, hatte Deribs Frau Dominique durch 47 Jahre hindurch die Streifen gefärbt, und bis zum selben Jahr hatte auch Job (mit bürgerlichem Namen André Jobin), damals 87, das Szenario verfasst. Claude de Ribaupierre selbst wird am kommenden 8. August den 80. Geburtstag feiern, reich gesegnet an Werken und Tagen. <

 

Ungeachtet der Ansicht des römischen Satirikers, der die Göttlichkeit Fortunas verneint, und der Meinung Senecas zum selben Gegenstand behauptet Cicero – wie ich glaube, ein klügerer Mann als jene beiden – ausdrücklich das Gegenteil; und gewiss ist, dass sich im Leben so überaus seltsame und unerklärbare Dinge ereignen, dass es, um sie hervorzubringen, mehr als menschlicher Geschicklichkeit und Voraussicht bedarf.

(Henry Fielding: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings.)

 

Claude de Ribaupierre hat zeitlebens im elterlichen Haus gearbeitet. Es steht in La Tour-de-Peilz überm Genfersee zwischen Vevey und Montreux am Chemin de Béranges. Der Vater François de Ribaupierre hat es als Wohnung und Atelier errichten lassen. Hier schuf er Gemälde, Skulpturen und Glasmalereien. Hier wuchsen die Kinder auf: François de Ribaupierre, der spätere Medizinprofessor an der Universität Lausanne, Yves de Ribaupierre, der spätere Physiker und Forscher an der Universität und der ETH Lausanne, und Claude de Ribaupierre, der spätere Derib.

 

„In diesem Zimmer ist mein Vater gestorben“, sagt der Zeichner zur Kamera der „Plans Fixes“. Er erlebte beim Abschiednehmen die Übertragung einer besonderen Kraft. Später spielten die Enkel des Verstorbenen im Sterbe­zimmer. Als Erwachsene brachten sie es zu Bühne, Film und Chanson. Derib (Zeichnung) und Dominique (Färbung) schufen am Chemin de Béranges ihre 94 Comics-Bände, daunter die Yakari-Serie, die in 16 Sprachen übersetzt wurde. In all dem sieht der Künstler einen grossen geistigen Zusammenhang.

 

Schon wie es zur Begegnung mit seiner späteren Frau kam: An einer Buch­messe in Brüssel trat sie, selber Zeichnerin, auf ihn zu; fand seine Arbeit bedeutend; wollte ein Autogramm. Derib bot ihr an, bei ihm zu arbeiten. In der Schweiz zeigte er ihr den Zweitwohnsitz der Familie: Ein Maiensäss auf dem Col de la Forclaz in 1800 m Höhe, ohne Strom, ohne Wasser. Nur ein Pfad hatte seinerzeit hinaufgeführt. Der Junge war auf dem Rücken eines Maulesels transportiert worden. Auf der Alp hatte er seine ersten Sommer verbracht und das reine Glück genossen, zusammengesetzt aus Freiheit, elterlicher Liebe, Spiel mit den beiden älteren Brüdern, Gras, Blumen, Tieren.

 

„Dominique verliebte sich dort in die Natur und dann in mich.“ Dankbarkeit und Freude schwingen in Deribs Worten mit, wenn er erzählt, dass in den über dreissig Jahren, in denen das Paar zusammenlebte und arbeitete, die Stimmen nicht ein einziges Mal lauter wurden, so tief und selbstverständlich war die Übereinstimmung: „Was immer man über Paare und ihre Schwierigkeiten sagt – wir hatten nie eine Störung.“

 

Während der Aufnahme liegt ein Leuchten auf Claude de Ribaupierres Gesicht. Er spricht fliessend und schnell. Man merkt, dass er beim Reden in seine Tiefe hört und die Gedanken ungefiltert äussert. Wahrscheinlich die Prägung der Mutter. Als ein Onkel starb, suchte sie ein Buch, das Trost geben könne, und entdeckte die Schrift eines indischen Weisen. Dessen Lehren gab sie beim Abwaschen den älteren Brüdern weiter. „Mir war das, was ich hörte, zwar noch zu hoch“, erzählt der 64-Jährige, „doch wurde damals der Grundstein für meine Spiritualität gelegt“.

 

Die Mutter flog zum Ashram nach Indien. Später auch Claude. Er lernte Vertrauen in die grosse Ordnung hinter den Dingen. Und er erkannte die prophetische Kraft seiner Zeichnungen. Er wollte einen neuen Comic schaffen. Er sollte von einem Paar handeln, Mann und Frau, und deren Geschichte darstellen: Vom Zusammenfinden übers Zusammenleben bis zu Alter und Tod. Das Sujet war in der Gattung noch nie thematisiert worden. Jetzt führte es Derib aus. Nachdem es gedruckt war, trat es in sein Leben und wurde Wirklichkeit.

 

Es kam zu einer Wiederholung. Als Dominique schwanger war, zeichnete der Vater, wie ein neues Wesen zur Welt kommt. „Und Sie glauben es nicht: Das gezeichnete Kind nahm genau die Züge unseres Kindes vorweg.“ Die geistige Kraft, die sich da manifestierte, versteht Derib als Segen. „Es ist wie bei der Elektrizität. Sobald man die Verbindung herstellt, fliesst der Strom.“

 

In Yakari, einem der bekanntesten Comics in Europa seit 1969, verbreitet Derib die Botschaft der Liebe, des Respekts und des Einsseins mit der Natur. Und er fragt sich: „Wenn die Comics, die ich entwarf, meine persönliche Zukunft zur Darstellung brachten, warum sollten Yakaris Geschichten für den Rest der Welt nicht gelten?“ Er fragt das mit einem Lächeln, das Zuversicht ausdrückt. Also doch … höhere Leitung? Orandum est ut sit.

 

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