Louise-Antoinette Lombard: „Caecilia“.

30. Mai 1924 – 12. Juni 2008.

 

Aufgenommen am 24. Oktober 2002 in Genf.

Louise-Antoinette Lombard – Association Films Plans-Fixes

 

> Beharrlichkeit, Zuverlässigkeit, Diskretion. Mit diesen Eigenschaften führte Louise-Antoinette Lombard ihre Künstler- und Konzertagentur in Genf zum Erfolg: „Anfangs hatte ich nur ein einen Tisch, eine Schreibmaschine, ein Telefon. Dann brauchte ich eine Halbtagssekretärin. Sie wurde Vollzeitangestellte. Es kamen weitere dazu. Heute arbeiten bei Caecilia 15 Personen.“ Louise-Antoinette Lombard starb 2008 im Alter von 84 Jahren. Ihre Agentur, die gleich heisst wie die Schutzpatronin der Musik, gibt es aber immer noch. <

 

Eigentlich ist Dinu Lipatti schuld, dass es Caecilia gibt. Der als Interpret von Johann Sebastian Bach und Frédéric Chopin international gefeierte Pianist unterrichtete während des Zweiten Weltkriegs am Genfer Konservatorium unter anderen die Bankierstochter Louise-Antoinette Lombard. Er brachte sie zur Konzertreife. „Und jetzt?“, fragte sie. Der Lehrer antwortete diplomatisch: „Sie sind so vielseitig begabt! Gehen Sie eine Zeitlang in die Welt! Schauen Sie sich um! Dann werden Sie schon merken, wohin Sie das Leben führt.“

 

Die junge Frau folgte dem Rat. 1950 übernahm sie die Aufgabe, am Erinnerungsbuch über ihren verstorbenen Lehrer mitzuwirken. Dinu Lipatti war im Alter von 33 Jahren einem bösartigen Tumor des Lymphsystems namens Hodgkin-Lymphom erlegen. Louise-Antoinette Lombard schrieb jetzt alle an, die mit ihrem Lehrer musiziert hatten.

 

„Hommage à Dinu Lipatti“, verlegt von Labor & Fides 1952 in Genf, war schon ausverkauft, bevor die Subskription angelaufen war. Die Druckerei musste gleich drei Auflagen aufs Mal liefern. Heute wird die vierte Auflage für 52.15 $ antiquarisch angeboten:

 

4e Edition (l’un des 2000 exemplaires sur papier vélin de Biberist). Dédicace de Madeleine Lipatti. Hommages d’ Ernest Ansermet, Wilhelm Backhaus, Brigitte v. Barbey, Nadia Boulanger, Carl-J. Burckhardt, Jacques Chapuis, Alfred Cortot, Paul Ducotterd, Georges Enesco, Edwin Fischer, Henri Gagnebin, Arthur Honegger, Herbert von Karajan, Jacques Laval, Walter Legge, Nikita Magaloff, Roland-Manuel, Igor Markevitch, Frank Martin, R.-Aloys Mooser, Paul Sacher, Béla Siki.

 

„Lipatti wird bis heute in einer Einigkeit gefeiert und bewundert, wie sie bezüglich Künstlern selten ist.“ (Wikipedia.)

 

Felicitas Keller, die für ihre Konzertagentur in Madrid Verstärkung brauchte, trat an Louise-Antoinette Lombard heran. Die sagte sich: „Spanien? Warum nicht?“ Dort lernte sie die Pianistin Alicia della Rocha und die Mezzosopranistin Teresa Berganza kennen, beide am Anfang ihrer Karriere. Felicitas Keller aber riet der dreissigjährigen Genferin, in ihrer Geburtsstadt selber eine Agentur zu gründen und die spanischen Künstler an die Rhone zu bringen. So kam Louise-Antoinette Lombard zu ihrer Lebensaufgabe.

 

Unter dem Firmennamen Caecilia organisierte sie Auftritte für den Ukrainer Swjatoslaw Richter, den Österreicher Alfred Brendel, den Amerikaner Murray Perahia, den Deutschen Christoph Eschenbach, und natürlich Alicia della Rocha und Teresa Berganza. Zur Stunde stehen bei Caecilia Daniel Barenboim, Renaud Capuçon, Nelson Goerner, Deszö Ranki, Evgeny Kissin und Joshua Bell unter Vertrag. Daneben die Quartette Apollon Musagète, Fauré, Takács, Emerson, Talich. La crème de la crème.

 

Im Gespräch mit den „Plans Fixes“ zeigt Louise-Antoinette Lombard Liebenswürdigkeit, Natürlichkeit, Erfahrung, Kompetenz und Diskretion. Letztere ist ihrem Beruf geschuldet – und ihrem Herkommen. Bei Erwähnung der Künstler bleibt sie allgemein und liefert nicht Anekdoten wie der Geigenbauer der Stars > Pierre Gerber. Sie hat eben schon als Kind gelernt, was Verschwiegenheit ist.

 

Der Vater war Bankier. Aber im calvinistischen Genf prunkte man nicht mit seinem Status. Als Louise-Antoinette einmal die Mutter fragte, warum sie nicht, wie die andern Mädchen, einen Sonntagsrock tragen dürfe, erfuhr sie eine Zurechtweisung: Man tut sich nicht hervor! „Erst nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich diese Einstellung verloren“, erklärt die Musikagentin.

 

An drei Punkten indes wird Louise-Antoinette Lombard doch konkret und beweist damit Flair, Kompetenz und Erfahrung.

 

1. Alicia della Rocha: „Sie hat ein ungemeines Gespür für den Rhythmus, und zwar den eigenen.“

 

2. Christoph Eschenbach: „Als er zu spielen begann, trat schon beim zweiten Takt seine Begabung ans Licht. Bei den Grossen ist das die Regel. Man wird von ihnen gleich in eine andere Dimension geführt.“

 

3. Das Publikum: „Wenn es an einem Konzert zwischen den Sätzen hustet, ist die Darbietung nicht wirklich angekommen.“

 

„Wie sollte dies auch anders sein“, sagte Goethe. „Es ist freilich keine Frage, dass man nicht mit Hilfe der guten englischen, französischen und spanischen Stücke ein so gutes Repertoire zusammenbringen sollte, um jeden Abend ein gutes Stück geben zu können. Allein, wo ist das Bedürfnis in der Nation, immer ein gutes Stück zu sehen? Die Zeit, in der Äschylus, Sophokles und Euripides schrieben, war freilich eine ganz andere: Sie hatte den Geist hinter sich und wollte nur immer das wirklich Grösste und Beste. Aber in unserer schlechten Zeit, wo ist denn da das Bedürfnis für das Beste? Wo sind die Organe, es aufzunehmen?“

 

Heute Abend erfolgt auf allen Kanälen die Übertragung des ESC (Eurovision Song Contest) aus Basel. Viel Vergnügen!

 

133 Views
Kommentare
()
Einen neuen Kommentar hinzufügenEine neue Antwort hinzufügen
Ich stimme zu, dass meine Angaben gespeichert und verarbeitet werden dürfen.*
Abbrechen
Antwort abschicken
Kommentar abschicken
Weitere laden
0